Published Mrz 12, 2013 Honor Tait (80), die Grand Dame des englischen Journalismus, hat mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Ein grosses Portrait mit der angesehenen Zeitung „Monitor“ soll die Verkäufe ihres bald erscheinenden Werkes „Depeschen“, in dem ihre besten Reportagen, unter anderem diejenige, für die sie den Pulitzerpreis gewann, vereint sind, ankurbeln. Tait lässt sich daher widerwillig auf ein Interview mit der freien Journalistin Tamara Sim (27) ein. Das Gespräch zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Frauen, die völlig divergierende Ansichten vom Leben und vom Journalismus haben, endet in einem Fiasko. Tait, die dafür bekannt ist, mit vielen berühmten Persönlichkeiten wie Frank Sinatra, Pablo Picasso oder General Franco verkehrt zu sein, will Sim partout keine Auskünfte über ihr Privatleben geben und spricht nur über ihre Arbeit. Das wiederum langweilt Sim zu Tode, da sie mit den hochpolitischen und in ihren Augen völlig uninteressanten Themen niemals die geforderten 4000 Wörter schreiben kann. Frustriert beenden die beiden Frauen das Interview, doch so schnell gibt Sim nicht auf und schon bald kommt sie einem Geheimnis von Honor Tait auf die Spur. „Wie die nouvelle vague im französischen Kino oder die Wespentaillen und Petticoats des New Look von Dior war Honor Taits unverwechselbare Art des New Journalism – subjektiv und doch mit Sachverstand und engagiert – in dieser ironisch, modernen Zeit so out wie Sesselschoner. Nur bewusste Traditionalisten, nostalgische Spinner mit einer Vorliebe für Vintage und Bakelit-Ästhetik wussten ihren Ansatz noch zu schätzen.“ (S. 13) In solchen Fällen bleibt dem nicht sachkundigen Leser nichts anders übrig, als gewisse Textpassagen zu überspringen. Es wäre daher angebracht gewesen, wenn die Autorin ihr zweifelsohne beeindruckendes Fachwissen etwas dezenter und dafür leserfreundlicher eingesetzt hätte. Je länger das Werk dauert, umso mehr gewinnt es an Fahrt, die Handlung tritt in den Vordergrund und die langfädigen, detailreichen Beschreibungen werden weniger, was das Lesen des Werks sehr viel angenehmer macht. Hochaktuelle Thematik Bibliografische Angaben:
Annalena McAfee, die selber drei Jahrzehnte als Journalistin tätig war und in dieser Zeit Kunst- und Literaturredakteurin war, pflegt einen nicht ganz leicht verdaulichen Schreibstil. Die Sätze sind lang und gespickt mit Fachausdrücken und Namen aus der Kunst- und Literaturszene. Ein Beispiel:
Überaus gelungen ist hingegen die hochaktuelle Themenwahl. McAfee beschreibt die Entwicklung des Journalismus in den letzten Jahren sehr treffend. Das Aufkommen des Internets und die damit verbundene Skepsis der Journalisten werden genauso zur Sprache gebracht wie die unterschiedlichen Arbeitsweisen des Boulevardjournalismus und des so genannt seriösen Journalismus. Gerade diese Diskrepanz wird durch die beiden Protagonisten Honor Tait, die ganz klar dem traditionellen und etwas verstaubten Reportagenjournalismus zu zu ordnen ist, und der boulevard-affinen Tamara Sim passend untermalt. Auch die Probleme, mit denen die freien Journalisten von heute zu kämpfen haben – geringe Löhne, keine Jobgarantie, von den Redaktionen veränderte Texte ect. – zeigt McAfee gekonnt auf.
Gerade auch die Wende am Schluss, die vor Augen führt, wie verhängnisvoll der Boulevardjournalismus sein und welche Folgen die unachtsame und sensationslüsterne Arbeitsweise haben kann, finde ich sehr gelungen.
Entsprechend empfehle ich das Buch allen, die Interesse an den Entwicklungen im Journalismus haben, wärmstens. Es kostet aber vor allem am Anfang ein wenig Überwindung, sich in die nicht immer leicht verständliche Sprache hinein zu kämpfen. Weil ich aber bisher noch kein besseres literarisches Werk zu diesem Thema gefunden habe, vergebe ich dennoch vier Punkte. (fba)
Titel: Zeilenkrieg
Autor: Annalena McAfee
Seiten: 477
Erschienen: 2012
Verlag: Diogenes
ISBN-10: 3257068425
ISBN-13:978-3257068429
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