Rezension: Unsichtbar von Paul Auster

„Unsichtbar“, so der Titel des Werks des Amerikanischen Autoren Paul Auster. In dieser verstörenden, aber gleichzeitig auch spannenden und intelligent konstruierten Geschichte, schickt Auster seinen Protagonisten Adam Walker auf die Suche nach seine eigenen Grenzen.


1967. Adam Walker ist Literaturstudent an einer amerikanischen Universität und träumt davon, Schriftsteller zu werden. Bereits während seiner Studienzeit schreibt der Einzelgänger Gedichte und Buchbesprechungen. Eines Abends trifft er an einer Party auf den französischen Gastprofessor Rudolf Born und dessen Partnerin Margot. Born und Walker kommen ins Gespräch. Obwohl er aus Born nicht ganz schlau wird, ihn für eine sinistere und unergründliche Person hält, lässt er sich auf ein Geschäft mit dem Franzosen ein. Dieser will Walker 25 000 Dollar zur Verfügung stellen, damit er eine Literaturzeitschrift ganz nach seinem eigenen Geschmack und Gutdünken gründen kann. Walker kann dem Angebot nicht widerstehen – ein Schritt, den er im Verlauf seines Lebens noch oft bereuen wird.
Geniale Konstruktion
Paul Auster hat sein gut 300-seitiges Werk auf eine, wie ich finde, geniale Art und Weise aufgebaut. Im ersten Teil erzählt Walker in der Ich-Form seine Geschichte, bis zu dem Punkt, als Born nach Frankreich floh. Danach folgt ein überraschender Perspektivenwechsel zu Jim Freeman, einem ehemaligen Studienkollegen von Walker, der heute erfolgreicher Autor ist. Dieser liest den ersten Teil von Walkers Roman und soll ihm helfen, seine Schreibblockade zu lösen. Das gelingt Freeman und so folgt der zweite Romanteil, geschrieben von Walker, in der Du-Form. Eigentlich hätte Walker Freeman bei einem persönlichen Treffen den dritten Teil aushändigen sollen, doch soweit kam es nicht, denn Walker stribt an Leukämie. Den dritten Romanteil erhält Freeman aus dem Nachlass von Walker, doch er besteht nur aus Stichworten und wird je länger je ungenauer. Freeman nimmt sich der Aufgabe an, die Walkers Stichworte in Prosa umzuschreiben (Er-Form) und diskutiert am Ende des Werks mit Walkers Schwester Gwyn, ob das Buch veröffentlicht werden soll oder nicht. Um sich sicher zu sein, beginnt Freeman in der Vergangenheit von Walker zu suchen und so tauchen bisher nur in der Fiktion existierende Charaktere wie Cécile Juin oder Rudolf Born in der Wirklichkeit auf.
Ich habe noch selten ein Buch gelesen, das so vielschichtig ist und aus so vielen verschiedenen Perspektive und unterschiedlichen Textarten (Roman im Roman, Erzählung in der Gegenwart, Tagebucheinträge, Briefe…) besteht, ohne jedoch den roten Faden zu verlieren.
Das Motiv der Unsichtbarkeit
Der Titel ist in der Erzählung von Austers Werk Programm, bleibt dem dem Leser jedoch – entsprechend dem Wortsinn – auf den ersten Blick verborgen. Im Verlauf der Erzählung kommen immer mehr Sachverhalte zur Sprache, von denen man nicht weiss, ob sie sich tatsächlich ereignet haben. So schenkt man beispielsweise der verstörenden Inzestgeschichte von Walker und seiner Schwester Glauben, wird aber am Ende mit der Erklärung der Schwester konfrontiert, die beteuert, dass Walker alles nur erfunden habe. Auch wird nie klar, ob Born den jungen Afroamerikaner im Park wirklich erstochen hat oder nicht, und auch um seine allfällige Mitarbeit beim Geheimdienst wird über weite Strecken nur spekuliert.
Ich glaube jedoch, dass es genau diese Unklarheit und die vielen überraschenden Wendungen sind, mit denen Auster seine Leser fesseln kann. Themen wie Liebe, Geld, Sexualität, Verbrechen und Betrug werden die Menschen immer faszinieren und wenn sie dann noch so gekonnt zu einer einzigen, in sich geschlossenen Geschichte verknüpft werden, kann es eigentlich nur gut kommen. Auch Walkers Selbstzweifel, die Frage nach der Gerechtigkeit und wie weit er gehen soll, um sich an Born zur rächen, prägen das Werk.
Ich kann das Buch jedem sehr empfehlen und würde mich freuen, wenn es aufgrund dieses Beitrags zu einer spannenden Diskussion in den Kommentaren kommen würde, denn vieles bleibt auch nach dem Ende des Romans unklar – oder eben unsichtbar. Hat Born wirklich gemordet? Gab es die Inzestbeziehung zwischen Walker und seiner Schwester? Dies nur zwei Beispiele von Fragen, über die man lange diskutieren könnte. (fba)

Bibliografische Angaben:

Titel: Unsichtbar
Autor: Paul Auster
Seiten: 320
Erschienen: 2010
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3498000810
ISBN-13: 978-3498000813
Bewertung: 

Ein Kommentar

  1. Passt nicht zu ganz zu "Unsichtbar", aber ich las Paul Auster "Reisen im Skriptorium"'; schlimm genug!
    Brecht schrieb mal, dass er nicht in Amerika leben könne, weil die Amerikaner zu oberflächlich seien. Er (Brecht) schrieb, er ersticke in Amerika. Wer Paul Auster liest, kaut Kaugummi. Der Autor versprach viel in jungen Jahren, aber wie G.Grass zerplatzten die (Kaugummi) Blasen von Satz zu Satz und von Minute zu Minute mehr! Das heißt: Je mehr manche Autoren schreiben, desto aufgeblasener schreiben sie. Sie blasen fürwahr auf, aber es lohnt sich nicht, sie zu lesen. Wie Kaugummi, das sich auflbasen lässt und zerplatzt! Man lese von Grass das Alterswerk oder von Auster "Reisen im Skriptorium". Schlimmer geht es nicht!

Kommentar hinterlassen