Rezension- Small World von Martin Suter

Rezension: Small World von Martin Suter

Updated Jan 15, 2018

„Small world“, ein weiteres Werk von Martin Suter das zeigt, warum er momentan zu den meistgelesenen Autoren im deutschsprachigen Raum gehört. Suter schafft es auf gekonnte Art und Weise, eine Kriminalgeschichte mit der Leidensgeschichte von Konrad Lang zu verknüpfen. Diese Mischung garantiert Spannung von der ersten bis zur letzten Seite.

Sehr eindrucksvoll ist auch die Schilderung der Krankheit Alzheimer, an der Konrad leidet. Zuerst werden die ersten Anzeichen seiner Demenz ins Lächerliche gezogen und so findet er beispielsweise seine Socken im Backofen. Doch die danach folgende Entwicklung der Krankheit mit den unzähligen Arztbesuchen, der Betreuung und den immer stärker werden Schwankungen von Konrads Zustand im fortschreitenden Stadium des Alzheimers, wird von Suter so detailgetreu geschildert und beschrieben, dass man mit dem armen Konrad sehr gut mitfühlen kann. Vor allem auch deshalb, weil Suter immer wieder gekonnt zwischen den unterschiedlichen Perspektiven wechselt, so dass man einmal über die Wahrnehmung von Konrad und einmal über diejenige seiner Umwelt verfügt – ein sehr gelungener Griff in die erzähltechnische Trickkiste.

Clever gewählter Titel

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der Titel von Suter exzellent gewählt wurde. Einerseits gibt es das small world phenomenon welches vom US-Amerikanischen Psychologen Stanley Milgram 1967 entdeckt wurde und besagt, dass jeder Mensch mit einem anderen über eine sehr kurze Kette von Menschen verbunden ist – small world also.

Andererseits ist es auch so, dass die Welt von Konrad aufgrund seiner Krankheit und dem immer weiter fortschreitenden Verlust seines Gedächtnisses immer kleiner wird und sich am Ende nur noch auf einige wenige Erinnerungen aus seiner frühesten Kindheit reduziert. Ein anderer Interpretationsansatz für den von Suter gewählten Titel wäre, dass Konrads Welt, gemessen an dem, was ihm eigentlich von Geburt an zugestanden hätte, viel zu klein war. Er stand immer im Schatten von Thomas und dies obwohl er selber eigentlich Thomas war.

Die Wende zum Guten

Am Ende von Suters Werk kommt dann aber doch noch alles zu einem guten Ende und Konrad schafft es, aus dem Schatten seines Jugendfreundes Thomas zu treten. Diesen Erfolg und das damit verbundene Ansehen wird von Suter sehr schön am Beispiel des Leitmotivs „Klavier“ gezeigt. Bereits in ihrer gemeinsamen Schulzeit begann Konrad Klavier zu spielen, da er gesehen hatte, wie ein alter unscheinbarer Mann nach seinem Klavier Auftritt an seiner Schule plötzlich im Mittelpunkt des Interesses stand. Konrad war ein begabter Klavierspieler, musste aber seine Karriere abbrechen, weil Thomas mit dem Klavier spielen aufhören wollte. Den Wunsch Pianist zu werden, behielt Konrad aber immer in seinem Innern und am Ende des Werks gelangt er an sein Ziel. Er spielt besser Klavier denn je zuvor und erhält dafür auch Anerkennung aus dem vornehmlich weiblichen Publikum – ein wahres Happy End.

Der übersteigerte Moralanspruch

Doch genau dieses Happy End ist es, das für mich den einzigen Kritikpunkt an „Small World“ darstellt, denn dabei schoss Suter mit seinem übersteigerten Moralanspruch übers Ziel hinaus. Die Tatsache, dass er mit Konrads Selbstmordversuch das private Gesundheitswesen kritisiert und am Beispiel der Familie Koch den Einfluss und die Macht der high society anprangert, geht völlig in Ordnung, denn diese sozialkritischen Aspekte sind äusserst geschickt ins Gesamtwerk eingebunden. Was dann allerdings nicht mehr sauber eingebunden und authentisch wirkt, ist, dass Konrad am Ende durch ein Medikament, dass es in Wirklichkeit nicht gibt und das nur bei ihm so gut wirkt, weil Elvira Senn versucht hat, ihm mit Insulin umzubringen, wieder gesund wird. Dies passt überhaupt nicht zur restlichen Darstellungsweise der Krankheit, die immer sehr wahrheitsgetreu vorgenommen wurde. Auch dass Simone am Ende mit Konrads Arzt zusammen kommt, dass Konrad besser Klavier spielt als je zuvor und die Tatsache, dass am Ende Thomas als Strafe für sein „zu gutes“ Leben auch noch an Alzheimer leidet und bei ihm das Medikament nicht wirkt, ist übertrieben.

Dieser überdimensioniert ausgelebte Moralanspruch von Suter nimmt dem Buch am Ende etwas von seiner Authentizität und Glaubwürdigkeit. Doch nichts desto trotz ist auch dieses Werk des Schweizer Erfolgsautoren Martin Suter absolut lesenswert.

Bibliografische Angaben

Titel: Small World
Autor: Martin Suter
Seiten:  323
Erschienen: 1997
Verlag: Diogenes
ISBN-10: 3257230885
ISBN-13: 978-3257230888
Bewertung: 4/5


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