Rezension König Ödipus von Sophokles

Rezension: König Ödipus von Sophokles

Updated Jan 17, 2018

„König Ödipus“, beim Lesen dieses Buchtitels dürfte sich die grosse Mehrheit mit Grauen an die eigene Schulzeit erinnern, als sie sich im Deutschunterricht durch das Werk von Sophokles kämpfen mussten. Ein Klassiker, den man gelesen haben muss, hiess es damals.

Ich gebe zu, dass – trotz meiner Freude am Lesen – „König Ödipus“ eine schwere Geburt war. Aufgrund der grossen kulturellen und geschichtlichen Differenzen zwischen dem Werk und der heutigen Zeit, hatte ich Mühe mit der zwar kunstvollen, aber auch stark konstruierten Erzählung von Sophokles. Dass das Ganze noch in einer für mich sehr ungewohnten Sprache verfasst wurde, machte es nicht gerade einfacher. Als ich mich dann jedoch genauer mit dem Werk auseinander gesetzt habe, verschob sich meine Meinung bezüglich des Werks doch noch ein wenig ins Positive.

Ein formales Meisterwerk

Vor allem vom formalen Gesichtspunkt aus betrachtet, ist König Ödipus ein Meisterwerk. Sophokles hat es geschafft, nahe zu alle Vorgaben, die da aristotelische Drama stellt, mustergültig um zu setzten. Der Aufbau in die fünf obligaten Akte entspricht der klassischen Spannungspyramide von Gustav Freytag.

Auch die drei Einheiten Ort, Zeit und Handlung wurden eingehalten, da die gesamte Handlung nur vor dem Palast (Ort) stattfindet und innerhalb von 24 Stunden (Zeit) beendet ist. Aufgrund der Tatsache, dass Sophokles oft mit Botenberichten (Bote von Korinth) und Mauerschau (Diener, der von Ikoastes Tod berichtet) gearbeitet hat, zeigt, dass auch die Einheit der Handlung eingehalten wurde. Die Funktion des Chors wurde in diesem Stück ebenso mustergültig umgesetzt, wie die Katharsis des Publikums am Ende des Werks. Auch die Ständeklausel, die besagt, dass nur Adelige (Ödipus, Iokaste und Kreon) in den Hauptrollen spielen dürfen, hat Sophokles erfüllt.

Schuld oder Schicksal?

Obwohl es mühsam war, das Buch zu verstehen und und ich viele Passagen mehrmals lesen musste, geben die 80 Seiten auch inhaltlich einiges her. Vor allem die Suche nach dem Schuldigen für die gesamte Misere ist sehr interessant. Sind es Iokaste und Laios, die von Beginn weg versuchten, dem Schicksal zu entkommen, in dem sie trotz Vorwarnung Ödipus zeugten? Oder ist Ödipus schuldig, weil er seinen Vater umgebracht hat, wenn auch unwissentlich – also quasi schuldlos-schuldig? Diese Fragen sind meiner Meinung nach nicht zu beantworten, da alle diese Charaktere zumindest eine Teilschuld trifft, denn alle haben sie versucht, dem Schicksal und damit auch den Orakelsprüchen zu entkommen.
Genau diese Orakelsprüche sind es, die der Geschichte den Stempel aufdrücken und aufzeigen, dass in der griechischen Mythologie das Schicksal unumstösslich war.

Das Motiv des Sehens

Ebenfalls ein zentrales Element ist das Sehen. Der blinde Seher Theiresias, sah als einziger unter lauter Sehenden die Wahrheit. Ödipus hingegen versuchte, so lange wie möglich die Augen vor der Wahrheit zu verschliessen, doch am Ende holte sie ihn trotzdem ein. Der Akt der Selbstblendung von Ödipus am Schluss des Werkes zeigt, dass er erkannt hat, dass Theiresias recht hatte und er damit als Zeichen seines Schuldeingeständnisses das wahre Sehen gegen das Wahrheitssehen eintauschte.

Trotz der Tatsache, dass beim genaueren Analysieren und Interpretieren von König Ödipus mehr ans Licht kam, als ich im ersten Moment für möglich hielt, ist es kein Werk, das ich ein weiteres Mal lesen würde. Dafür machte das Lesen dieses Textes zu wenig Spass und war zu wenig unterhaltsam, aber immerhin kann ich nun sagen, „ich habe Ödipus gelesen.“

Bibliografische Angaben

Titel: König Ödipus
Autor: Sophokles
Seiten: 80
Erschienen: ca. 429-425 v.Chr.
Verlag: Reclam
ISBN-10: 3150006309
ISBN-13: 978-3150006306
Bewertung: 2/5


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