Rezension: Jarhead – im Krieg von Anthony Swofford

Published Jan 4, 2012

„Jarhead – im Krieg“ ist die autobiografische Erzählung aus dem ersten Irakkrieg des ehemaligen Amerikanischen Scharfschützen Anthony Swofford. Eine Geschichte, die schonungslos die Mängel und Missstände in der Amerikanischen Armee sowie die Brutalität und Hoffnungslosigkeit des Kriegs aufzeigt.


Anthony Swofford wusste schon früh, dass er zur Armee, zu den Marines wollte. Bereits sein Grossvater und sein Vater waren beim Militär und sind unter der Amerikanischen Flagge in den Krieg gezogen, es war also quasi seine Bestimmung, ebenfalls für sein Vaterland zu kämpfen. So bald er konnte, unterzeichnete er den Vertrag und absolvierte die Grundausbildung. Nach verschiedenen Wechseln landete er schliesslich im Aufklärungs- und Scharfschützen Platoon 2/7 bei den STA Marines. Als es 1990 zur Kuwaitkrise kam, gehörten er und seine Kameraden zu den ersten Amerikanischen Soldaten, die in die Wüste Saudi Arabiens geschickt wurden. Sieben Monate litt er unter der grossen Hitze und wartete in der Einöde der Wüste auf den Beginn des Kriegs. 
Ein leicht verwirrender Aufbau
Swofford beginnt seine Geschichte mit einer Szene, die mehrere Jahre nach seiner Rückkehr aus dem Irakkrieg spielt. In der Folge wechselt er immer wieder zwischen Erzählungen aus seiner Jugend, seiner Schulzeit, seiner Ausbildung beim Militär und der eigentlichen Erzählung der Kriegsgeschehnisse im Irak. Für mich als Leser waren es etwas zu viele Wechsel, denn aufgrund der vielen verschiedenen Personen, die in den unterschiedlichen Handlungssträngen eine Rolle spielten, war der Aufbau doch etwas verwirrend. In diesem Falle wäre ein bisschen mehr Chronologie doch ganz hilfreich gewesen.
Der inszenierte Medienkrieg der USA
Was mich an Swoffords Erzählung am meisten beeindruckte, war die Tatsache, dass er nichts beschönigte und auch mit seinem Heimatland und der Regierung unter Bush senior hart ins Gericht geht. Dies zeigt sich besonders gut an zwei Beispielen. Im ersten weist Swofford auf die Mängel der Armeeausrüstung hin: „Warum sollten wir an die Effektivität dieser Infrarot-Tarnnetze glauben, wenn der Trinkschlauch an unserer Gasmaske bei jeder Nervengasübung abknickt? Und wenn die beste Reparaturmthode für das PRC 77, den Manpack-Sendeempfänger, darin besteht, es aus anderthalb Meter Höhe fallen zu lassen?“ (Jarhead – im Krieg, 2003, Seite 22). 
Nach dem Krieg kam ans Licht, dass die Bushregierung die Amerikanische Presse auf gröbste Art und Weise zensierte, in dem sie jeweils nur einen oder zwei Journalisten der grossen Zeitungen und Fernsehstationen an die Kriegsorte reisen liess und diese sich nur unter ständiger Begleitung eines Armeeangehörigen bewegen durften. Was die Journalisten aufgetischt bekamen, war nichts anderes als ein grosses Schauspiel. „Ihr seid Marines. So etwas wie freie Meinungsäusserung gibt es nicht. Ihr werdet für alles, was ihr sagt, bezahlen müssen. Vor allem für den nicht genehmigten Scheiss“ (Jarhead – im Krieg, 2003, Seite 24). 
Unerträgliche Warterei
Sieben Monate vor Ausbruch des Kriegs wurden die ersten Truppen in der Saudi Arabischen Wüste stationiert. Die Unterkünfte waren oftmals mehr als dürftig und bestanden aus Zelten. Es gab kaum warmes Essen und an regelmässige Körperpflege und Dusche war nicht zu denken – obwohl jeden Tag bei Temperaturen von weit mehr als 30 Grad Trainings und Übungen auf dem Programm standen. Das warten in der Einöde zermürbte die Soldaten. Sie wussten nicht, wann es losging, wussten aber auch nicht, wie stark der Gegner war und was der aktuelle Stand der Dinge war, denn sie bekamen kaum Zeitungen zu Gesicht. Mit der Zeit hofften die Soldaten gar, dass der Krieg endlich beginnen möge.

Brutale Bilder der Zerstörung und des Todes
Dann aber brach der Krieg doch noch los. Die Amerikaner waren den Irakern haushoch überlegen und feierten innert wenigen Tagen einen klaren Sieg. Doch das, was in Amerika als glorreicher Sieg gefeiert wurde, sah in Wirklichkeit für die Soldaten vor Ort anders aus. „Ich habe noch nie zuvor solche Zerstörung gesehen. Doch das Ganze ist zu real, um nicht wahr zu sein. Alle zwanzig bis dreissig Meter steht ein ausgebranntes und zerbombtes feindliches Fahrzeug auf der staubigen Piste, und Leichen liegen darin oder wurden aus den Wagen geschleudert. Dutzende, Hunderte solcher Fahrzeuge mit Leichen darin oder daneben“ (Jarhead – im Krieg, 2003, Seite 263).
Angesichts dieser Zerstörung und Brutalität des Kriegs war es für Swofford schwierig, sich nach Kriegsende über den Sieg zu freuen. Zu präsent waren die Bilder in seinem Kopf. Auch die Parade durch Kuwait City nach dem Krieg kam ihm vor wie eine Farce. „Ich nehme an, dass die Frauen und Kinder hier von der kuwaitischen und der amerikanischen Regierung hingestellt wurden, dass man ihnen Flaggen in die Hand gedrückt und ihnen gesagt hat, sie müssen zu einer bestimmten Zeit vor ihren Häusern stehen, während die US Truppen vorbeifahren (…) Aber vielleicht irre ich mich ja – vielleicht haben sie die US-Flaggen während der Besatzung im Küchenschrank versteckt und auf diesen glorreichen Tag gewartet“ (Jarhead – im Krieg, 2003, Seite 285).

Swofford zeigt eine Seite des Kriegs auf, die man sich bisher nicht vorstellen konnte – diejenige des einfachen Soldaten, der keine einzige Heldentat leistet und sich vor Angst auch mal in die Hosen macht. Er fasst das Unfassbare in Worte, wie sie nur jemand wählen kann, der selber dort war – die Gefühle und die Stimmung in der Erzählung sind zu echt, als dass sie erfunden sein könnten.
(fba)

Bibliografische Angaben:


Titel: Jarhead – im Krieg
Autor: Anthony Swofford
Seiten: 300
Erschienen: 2003
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462033093
ISBN-13: 3462033090
Bewertung: 

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