Updated Jan 17, 2018 Die Namen Carl Friedrich Gauss und Alexander von Humboldt dürften alle schon einmal gehört haben und die meisten werden auch ungefähr wissen, in welchen Gebieten diese beiden Koryphäen der deutschen Wissenschaft tätig waren. Daniel Kehlmann hat diese beiden realen Figuren als Hauptcharaktere für seinen Bestseller Roman „Die Vermessung der Welt“ gewählt, jedoch die wahren Begebenheiten mit fiktiven Anekdoten ausgeschmückt – eine sehr vielversprechende Ausgangslage. Bei der Umsetzung haperte es dann aber ein wenig. Warum? Ein wichtiger Grund ist sicherlich der sehr gewöhnungsbedürftige Erzählstil von Daniel Kehlmann. Im gesamten Werk gibt es keine direkte Rede und daher werden alle Dialoge und Monologe entweder als Rede- und Gedankenbericht oder in der indirekten Rede wieder gegeben. Dies führt zu einer grossen Distanz zwischen dem Leser und den beiden Hauptdarstellern, die dadruch sehr unnahbar wirken. Auf der einen Seite wird so der Geniekult, der sicher ein Hauptgrund für den Grosserfolg des Buchs ist, gefördert, denn die beiden Hauptcharaktere werden so noch geheimnisvoller und unergründlicher. Auf der anderen Seite kann sich der Leser aber auch nicht richtig mit Gauss und Humboldt identifizieren, was ich sehr schade finde. Doch nicht nur der Erzählstil, sondern auch der Inhalt hat mich nicht vollends überzeugt. Es gibt sehr viele schöne und interessante Anekdoten aus dem Leben der beiden Genies, doch irgendwie kommt nichts Neues dabei heraus. Trotz den vielen Handlungen und Ereignissen, die im Werk beschrieben werden, durchlaufen Gauss und Humboldt keine grosse Entwicklung und ihr Charakter wird auch nicht merklich komplexer, was mit der Zeit eine gewisse Langeweile aufkommen lässt. Vom Aufbau her ist „Die Vermessung der Welt“ allerdings sehr interessant. Es beginnt mit den Treffen der beiden Protagonisten in Berlin, das eigentlich erst gegen Ende der Handlung des Werkes stattfand. Danach wird wie in einem „Ping-Pong-Spiel“ das bisherige Leben der beiden erzählt, wobei immer ein Kapitel Gauss und ein Kapitel Humboldt zugesprochen wird. Damit schafft es Kehlmann, die Gegensätze der beiden Genies sehr schön herauszuarbeiten. Auf der einen Seite der weltfremde, asoziale Gauss und auf der anderen Seite der abenteuerlustige und weltoffene Humboldt. Die einzige Verbindung zwischen den beiden sind die Publikationen von Humboldt, die von Gauss jeweils gelesen werden. Das 15. Kapitel, die Steppe, ist formal und inhaltlich sehr interessant. Zum ersten Mal treten beide Protagonisten im selben Kapitel auf, ohne dass sie sich am selben Ort aufhalten. Gauss ist in Göttingen am Forschen und Humboldt in Russland auf Reisen mit dem Zar. Dennoch sind sich die beiden, ohne dass sie sich gut kennen, sehr verbunden. Dies zeigt sich daran, dass Humboldt in Russland über eine Frage nachdenkt und eine Zeile später liefert Gauss in Göttingen die Antwort darauf (Seite 292). Diese Annäherung gipfelt auf der folgenden Seite als Gauss meinte: „… auf einmal hätte er nicht mehr sagen können, wer von ihnen weit herumgekommen war und wer immer zu Hause geblieben.“ Dieser Satz zeigt die Verbundenheit, aber auch die Einsamkeit der beiden Genies, welche Kehlmann in diesem 15. Kapitel sehr gelungen kulminieren liess. Am Ende des Werks spielt das Alter und der Tod eine sehr zentrale Rolle, denn sowohl Humboldt als auch Gauss sind in die Jahre gekommen. Gauss merkt, dass er nicht mehr gleich schnell denken kann und Humboldt erkennt, dass er in Russland nicht wegen seiner Fähigkeiten als Wissenschaftler gebraucht wurde, sondern nur wegen seines Namens. Vielleicht ist es genau diese Gemeinsamkeit, der Alterungsprozess und der nahende Tod, welcher die beiden so unterschiedlichen Menschen so hane zusammen brachte. „Die Vermessung der Welt“ ist ein durchaus gelungenes Werk, das beim Lesen immer wieder für ein leichtes Schmunzeln gesorgt hatte. Doch aus den oben genannten Gründen reichte es nicht zu mehr als 3 von 5 Punkten. Titel: Die Vermessung der Welt Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann auf Amazon bestellen. Das Ping-Pong-Spiel
Kulmination der Verbundenheit
Wenn nur noch der Name zählt…
Bibliografische Angaben
Autor: Daniel Kehlmann
Seiten: 304
Erschienen: 2005
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3498035282
ISBN-13: 978-3498035280
Bewertung: 3/5