Published Apr 21, 2011„Atemschaukel“ ist der Roman der Deutschen Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, der im Jahre 2009 erschienen war. Darin verarbeitet Müller die Erlebnisse Deutscher Deportierter in einem Russischen Arbeitslager, welche vor allem von den Erzählungen des Lyrikers Oskar Pastior basieren, der selbst in einem solchen Lager interniert war.
Der 17-jährige Leopold Auberg aus Siebenbürgen wurde nach Russland in ein Arbeitslager deportiert. Dort lebt er mit vielen Mitgefangenen und schuftet unter unmenschlichen Bedingungen. Er leidet unter der Kälte, der schlechten Kleidung und vor allem unter dem steten Hunger. Nach fünf Jahren Gefangenschaft wird er im Jahre 1950 entlassen und kehrt in seine Heimat zurück. Dort muss er dann aber feststellen, dass seine Familie gar nicht mehr mit seiner Rückkehr gerechnet hat und dass er noch immer unter den Eindrücken und den Erlebnissen der letzten fünf Jahren leidet. Deswegen scheitert auch seine Ehe mit Emma nach mehr als 11 Jahren und er lebte den Rest seines Lebens alleine in Österreich.
Poetische Annäherung an das Grauen
So könnte man die Erzählung von Herta Müller wohl am ehesten Umschreiben. In vielen einzelnen Episoden, die nicht direkt zusammenhängen, sich jedoch in eine grössere Chronologie einordnen lassen, erzählt sie von den Leiden der Gefangenen im Arbeiterlager. Sie behilft sich dabei sehr oft der rhetorischen Stilmittel Metapher und Repetition. Wichtig ist dabei sicherlich auch die Verwendung der Personifikation des Hungers als Engel. Das zentrale Element des Werks ist der Hunger, den die Gefangenen erleiden müssen. Mit vielen Umschreibungen und Vergleichen schafft es Müller, das Gefühl, dass man eigentlich gar nicht mit Worten beschreiben kann, etwas greifbarer zu machen.
Durch die Poetisierung der grausamen Ereignisse und Zustände im Arbeiterlager kann man sich ein Bild der damaligen Zeit machen, ohne dass Müller diese direkt beschreibt und benennt. Ihre Annäherungsweise an das Grauen des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen steht also beispielsweise im kompletten Gegensatz zu derjenigen von Gert Ledig in seinem Roman „Vergeltung“.
Formell stark, inhaltlich schleppend
Diese enorme Poetiserung der Ereignisse, die vielen Beschreibungen und Erklärungen der Kleidung, der verschiedenen Materialien, welche die Gefangenen auf der Baustelle benötigen, der Unterkünfte und auch dem Befinden der Internierten, führt dazu, dass das Werk kaum über Handlung verfügt. Zusätzlich erschwert wird das Ganze dadurch, dass die einzelnen Episoden nicht direkt zusammenhängen und es daher oft schwer ist einen roten Faden zu erkennen. Durch die vielen Repetitionen und Metaphern kam bei mir oftmals ein wenig Langeweile auf und es kostete mich teilweise einige Überwindung, die Lektüre weiter zu führen.
Mit ist bewusst, dass die „Atemschaukel“ gerade wegen der Poetisierung und der Art und Weise des Schreibens von Herta Müller von den Kritikern sehr stark gelobt wurde, doch für mich als Normalleser war es zu viel des Guten. Viele Vergleiche waren mit zu weit hergeholt und zu kompliziert. Dies nahm dem Buch jeglichen Schwung und minderte den Lesespass doch beträchtlich. Da für mich dieses Kriterium weit wichtiger ist als die formelle Raffinesse des Autors, kann ich dieses Werk nur mit zwei von fünf Punkten bewerten, obwohl es von der Bedeutung und vom Stil her sicherlich mehr verdient hätte.
(fba)
Bibliografische Angaben:
Titel: Atemschaukel
Autor: Herta Müller
Seiten: 304
Erschienen: 2009
Verlag: Hanser
ISBN-10: 3446233911
ISBN-13: 978-3446233911
Bewertung: