Published Apr 8, 2013Inhalt
1971 war Tyler Hamilton in Marblehead in der Nähe von Boston zur Welt gekommen und als jüngstes von drei Kindern in der kleinen Küstenstadt aufgewachsen. Hamilton genoss seine Kindheit, verbrachte viel Zeit im Freien und trieb Sport. Zum Radfahren kam er erst ziemlich spät, als er nach einem Sturz seine Ambitionen als Skirennfahrer begraben musste. Als Amateur-Radfahrer machte er sich einen Namen, da er seine Leidensfähigkeit wiederholt unter Beweis stellen konnte. So wurde 1995 Profi beim US Postal Team, das damals noch Montgomery Bell Cycling hiess.
In dieser Mannschaft bestritt er ein Jahr später seine ersten Rennen in Europa. Obwohl die ganze Equipe hart trainierte, fuhren sie den Spitzenfahrern weit hinterher. Sie waren frustriert, hatten sie doch geglaubt, sie seien stark genug. Die Teamleitung entschied daraufhin, das Kader für die Saison 1997 radikal umzubauen. Gleich mehrere neue Fahrer wurden verpflichtet, die Trainings wurden härter und straffer geführt und es war kein Geheimnis, dass den Teamleadern gezielt Doping verabreicht wurde. Auch Hamilton war einer von ihnen. Seine Begründung, weshalb er Teil der Bruderschaft wurde, war einfach: Er fand es unfair und gemein, dass er trotz hartem Training auf keinen grünen Zweig kam und so um die Früchte seiner Arbeit gebracht wurde.
Nachdem er den Hodenkrebs besiegte hatte, stiess Lance Armstrong 1998 zum US Postal Team. Er war der klare Leader, die anderen Fahrer arbeiteten für ihn. Armstrong war es, der bestimmen konnte, wer zu Team gehörte und wer nicht. Er suchte sich einen neuen technischen Leiter und fand diesen in der Person von Johan Bruyneel. Gemeinsam bestimmten sie die Taktik des Teams, schworen die gesamte Mannschaft auf den Erfolg von Armstrong ein. Dieser wusste stets über alles und alle Bescheid, er war ein richtiger Kontrollfreak. Freundschaften waren etwas, das es für Armstrong nicht gab. Wagte es jemand, sich gegen ihn zu stellen oder ihn zu kritisieren, landete er schnell auf der Abschussliste und figurierte Ende Saison nicht mehr im Kader.
Unter der Leitung des Duos Armstrong/Bruyneel wurden auch die Dopingpraktiken immer ausgeklügelter. Entscheidend dafür war die Verpflichtung von Dr. Michele Ferrari, der als Kapazität auf diesem Gebiet galt. Er sah die Radprofis nicht als Menschen, sondern als Ansammlung von Zahlenwerten: Gewicht, Fettanteil, Wattzahl, Watt pro Kilo, Hämatokritwert, Hämoglobinwert, Maximalpuls und vieles mehr. Nach diesen Werten richtete sich Ferraris Trainings- und Dopingmethoden aus, denn er war überzeugt, dass lediglich die richtigen Werte erreicht werden mussten, um den Tour de France Sieg zu holen.
Diese Umstellungen brachten nicht sofort den gewünschten Erfolg. Erst im Jahr 1999 begann die Maschinerie US Postal richtig zu rollen. Sieben Jahre in Serie gewann Armstrong die Tour de France, Hamilton war drei Jahre lang sein Edelhelfer. Ende des Jahres 2002 trennten sich die Wege von Hamilton und Armstrong. Die beiden Amerikaner verstanden sich nicht mehr und so wechselte Hamilton zum Team CSC.
Dort schlüpfte er unter der Leitung von Bjarne Riis in die Rolle des Teamleaders und wurde als grosser Herausforderer von Lance Armstrong im Kampf um den Toursieg gehandelt. Auch bei CSC wurde gedopt, unter anderem mit Blutdoping. Auf diesem Gebiet war Dr. Eufemiano Fuentes ein Experte. Hamilton beschreibt ausführlich, wie und wann die Transfusionen stattfanden, wie die Blutbeutel während den Rennen in die Hotels geschmuggelt wurden und welche Auswirkungen dies auf die Leistungen der Fahrer hatte. Nicht immer klappte alles, wie es sollte. Die Transfusionen waren nicht immer sauber und wiederholt sind Fahrer erwischt worden, doch am System änderte sich deswegen nichts. Für Hamilton reichte es nicht zum Toursieg. Weder beim Team CSC noch bei Phonak, wo er 2004 unter Vertrag stand.
2004 wurde Hamilton nach seinem Sieg im Zeitfahren an den Olympischen Spielen positiv getestet. Da seine B-Probe nicht ausgewertet werden konnte, durfte er vorerst weiterfahren. Doch nur wenige Wochen später wurde er an der Vuelta erneut erwischt und für 24 Monate gesperrt. Hamilton stritt alles ab. Er wollte seine Teamkameraden nicht verraten, dem Team nicht schaden. Er zweifelte die Testmethoden an. Rund eine Million Franken investierte er in den Kampf um seine „Unschuld“. Doch er verlor vor Gericht. Die grossen Anstrengungen forderte ein weiteres Opfer: Seine Ehe mit Haven zerbrach.
Trotzdem kehrte er zwei Jahre später zurück, fand jedoch kein Spitzenteam mehr, das ihn aufnehmen wollte. Zwei Saisons fuhr er, dann beendete er sein Karriere als Spitzenfahrer endgültig, weil er erneut mit Doping erwischt wurde. Hamilton kehrte in seine Heimat zurück, wollte weg aus dem Rampenlicht und eröffnete 2010 ein kleines Trainingsunternehmen in Boulder. Er hat mit Lindsay Dyan eine neue Frau an seiner Seite, mit der er das Leben wieder geniessen kann.
2010 wurde er von Jeff Novitzky, einem Ermittler der FDA um Hilfe im Kampf gegen das Doping gebeten, denn nur wenige Wochen zuvor hatte Floyd Landis, ebenfalls ein ehemaliger Teamkollege von Armstrong ausgepackt. Er hatte Namen und Daten genannt und die Praktiken des US Postal Teams offengelegt. Nun wollte der FDA auch Hamilton zu einer Aussage bewegen. Dieser liess sich darauf ein und legte ein umfassendes Geständnis ab. Zuerst bei der FDA und später vor laufender Kamera in einer TV-Show.
Es wurde ein Verfahren gegen Lance Armstrong eröffnet. Die Ermittler sammelten enorme Mengen an Daten und befragten unzählige Zeugen. Doch es brachte nichts. Die Ermittlungen gegen Armstrong wurden eingestellt, das Gericht sah keine Verletzung des Gesetzes durch Armstrong. Hamiltons Frust sass tief. Er verliess seine Heimat und begann mit Davy ein neues Leben in Missoula.
2012 rollte die USADA jedoch die Ermittlungen gegen Armstrong erneut auf, diesmal ging es jedoch nicht um Gesetzesbrüche, sondern um das Nichtbefolgen der Regeln des Sports. Und diesmal konnte Armstrong trotz seiner teuren Armada von Anwälten den Kopf nicht mehr aus der Schlinge ziehen.
Charakteranalyse
Das Werk von Tyler Hamilton und Daniel Coyle gehört in die Kategorie der Sachbücher. Entsprechend ist es nicht sinnvoll, eine Charakteranalyse vorzunehmen. (fba)
Sehr interessantes Artikel, weiter so.