Rezension: Little Bee von Chris Cleave

Published Mai 2, 2011


„Little Bee“ ist der US-Bestsellerroman des Britischen Autoren Chris Cleave, der die spezielle Geschichte des Nigerianischen Mädchens Little Bee und der Britischen Journalistin Sarah O’Rourke erzählt. Das Werk hat mich nicht so umgehauen, wie die Washington Post („Dieses Buch wird sie einfach umwerfen“) oder The Independent („Aufregend, schockierend und tief bewegend“) angekündigt haben, aber es ist definitiv ein sehr gelungenes Buch. 


Am Strand von Nigeria, wo Sarah und Andrew O’Rourke ihre Eheprobleme zu lösen versuchen, werden Little Bee und ihre Schwester von Soldaten der Nigerianischen Regierung verfolgt und mit dem Leben bedroht, da sie zu viel vom in Nigeria tobenden Ölkrieg mitbekommen hatten. Sarah konnte mit ihrer aufopfernden Tat – sie schnitt sich ihren Mittelfinger ab – das Leben von Little Bee retten, doch deren Schwester wurde in der Folge brutal ermordet und vergewaltigt. Die 14-jährige Little Bee blieb alleine zurück, mit der Visitenkarte von Andrew, der seine Brieftasche am Strand verloren hatte. Sie macht sich auf den Weg nach England – zu den einzigen Menschen, die sie nach dem Tod ihrer gesamten Familie noch hatte. Nach einem 2-jährigen Aufenthalt im Abschiebungsgefängnis von Essex wird sie freigelassen und meldet sich bei Andrew. Dieser nimmt sich jedoch kurz darauf das Leben und Little Bee steht am Tag von Andrews Beerdigung vor Sarahs Haustüre.

Zwei verschiedene Sichtweisen
Chris Cleave schreibt seinen Roman stets aus zwei verschiedenen Perspektiven. Immer abwechselnd beschreibt er die Ereignisse in einem Kapitel aus Sarahs Sicht und im nächsten wieder aus dem Blickwinkel von Little Bee.
Dadurch werden dem Leser nicht nur die unterschiedlichen Charaktere vor Augen geführt, sondern auch die grossen kulturellen Differenzen, welche die beiden Personen prägen. So überlegt sich beispielsweise Little Bee immer, wie sie ihren Freundinnen in Nigeria die Geschichte erzählen würde, damit diese verstünden, was sich in England abspielte. Dieser Wechsel und auch die Darstellung der unterschiedlichen Auffassung der Handlung ist Chris Cleave in seinem Werk extrem gut gelungen. Ebenfalls in hervorragender Manier schafft es Cleave, den Leser bei der Stange zu halten. So erfahren wir beispielsweise erst etwa in der Hälfte des Werks, was am Strand von Nigeria wirklich passierte und welche Verbindung Sarah und Little Bee haben.

Für immer aneinander gebunden
Genau diese Verbindung ist es, welche das tragende Element in „Little Bee“ ist. Sarah opferte ihren Mittelfinger, um das Leben von Little Bee zu retten. Diese macht sich in der Folge auf, um die einzigen beiden Menschen zu finden, die sie noch hat. Doch anstatt sich bedanken zu können, fühlt sie sich in der Folge für den Selbstmord von Andrew mitverantwortlich und weiss nicht recht, wie sie Sarah gegenüber treten soll. Doch mit ihrer hilfsbereiten, liebevollen und offenen Art hilft sie Sarah über den Verlust von Andrew hinweg zu kommen und zeigt ihr auch auf, dass sie in den letzten Jahre von ihren Zielen und Prinzipien abgekommen war. Sarah wollte mit ihrer Arbeit stets die Welt verändern, war aber in den letzten Jahren als Herausgeberin eines Klatsch und Tratsch Modeheftchens beschäftigt. Das Auftauchen von Little Bee erinnerte Sarah wieder daran, was sie in ihrem Leben eigentlich erreichen wollte.
Mit Little Bees aufopferndem Akt beim Verschwinden von Charlie die Polizei zu rufen und damit ihre Abschiebung zu riskieren, konnte sich Little Bee auf ihre Weise bei Sarah für die Lebensrettung am Strand von Nigeria verdanken.

Idealistisches Schlussbild
Doch mittlerweile hatte sich zwischen den beiden Frauen eine tiefe Freundschaft entwickelt, die dank den schwierigen Umständen der illegalen Einwanderung und Andrews Selbstmord noch intensiver und enger wurde. Sarah wollte alles in ihrer Macht stehende tun, um Little Bee wieder nach England zu holen, doch sie scheiterte.
Als sich Little Bee am Strand von ihrer Schwester verabschieden wollte, wurde sie von den Soldaten aufgegriffen. Doch genau an dieser Stelle, als der Leser nicht mehr mit einem Happy End rechnete, schafft es Chris Cleave doch noch ein positives Schlussbild zu zeichnen. Die letzten Szenen spielen sich am Strand von Nigeria ab, dort wo alles begonnen hatte. Sarah und Little Bee fielen sich weinend in die Arme; im Bewusstsein, dass sie nun quitt waren. Sie haben sich gegenseitig das Leben gerettet und erkannt, worauf es im Leben wirklich ankommt. Das letzte was Little Bee vor ihrer Verhaftung noch sah, war Charlie, das weisse, englische Kind, das vergnügt am Strand von Nigeria spielte – gemeinsam mit den afrikanischen Kindern. Die beiden Welten, die das Leben von Little Bee und Sarah geprägt hatten, trafen aufeinander und es besteht die Hoffnung, dass sie sich in den nächsten Generationen noch näher kommen werden – ein schöne, wenn auch idealistische Vorstellung als letztes, bleibendes Bild eines eindrücklichen Romanes. 

Bibliografische Angaben:

Titel: Little Bee
Autor: Chris Cleave
Seiten: 315
Erschienen: 2008
Verlag: dtv
ISBN – 10: 9783423248198
ISBN-13: 978-3423248198
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