Rezension zu Wer die Nachtigall stört von Harper Lee

Rezension: Wer die Nachtigall stört von Harper Lee

Updated Nov 1, 2017

„Wer die Nachtigall stört“ ist das ins Deutsche übersetzte Werk „To kill a Mockingbird“ der Amerikanischen Autorin Lee Harper, die nach ihrem Welterfolg kein Buch mehr verfasst hat. Die Geschichte beinhaltet viele Motive und Themen, die nach dem Lesen viel Spielraum für Interpretationen lassen.

Jean Louise und Jem Finch wachsen in der Amerikanischen Kleinstadt Maycomb County auf. Ihr Vater, der Anwalt und Abgeordnete Atticus Finch, erzieht die beiden nach bestem Wissen und Gewissen. Das Weltbild der Kinder gerät allerdings aus den Fugen, als Atticus in den 1930er Jahren zum Pflichtverteidiger des Schwarzen Tom Robinson ernannt wird. Dieser wird verdächtigt, ein weisses Mädchen vergewaltigt zu haben. Obwohl es Atticus gelingt, dem Gericht zu beweisen, dass Robinson unmöglich der Täter gewesen sein kann, befinden die Geschworenen Robinson für schuldig. Jem und Jean Louise kommen erstmals mit dem „Bösen“ in Kontakt und müssen lernen, damit umzugehen. Es kommt sogar noch schlimmer, als Herr Ewell, der Kläger im Fall Robinson, Atticus Rache schwört, jedoch zu feige ist, sich Atticus selbst entgegen zu stellen und daher auf Jem und Jean Louise ausweicht.

Die Unschuld trifft das Böse

Der erste Teil der Geschichte, die aus der Sicht der jungen Jean Louise Finch erzählt wird, ist die Welt im verschlafenen Amerikanischen Städtchen Maycomb Couty noch in Ordnung. Niemand ist gestresst, alle haben Zeit für einander und die Kinder wachsen behütet von ihrem Vater Atticus auf. Sie gehen zur Schule, spielen im Sommer Theater, bauen Baumhäuser und rätseln, wer wohl ihr Nachbar sein mag, der nie aus seinem Haus kommt. Die Kinder sind der festen Überzeugung, dass alle Menschen „gut“ sind.

Dies ändert sich jedoch schlagartig, als Atticus Tom Robinson verteidigt. Während der Gerichtsverhandlung, der die Kinder unerlaubterweise beiwohnen, beweist ihr Vater die Unschuld seines Klienten. Dennoch wird er verurteilt – weil er Schwarz ist. Für Jem bricht eine Welt zusammen, denn er versteht nicht, wie es Menschen geben kann, die wissentlich etwas „Schlechtes“ tun. Seine Welt gerät aus den Fugen. Auch in der Schule werden Atticus Kinder angefeindet, weil ihr Vater ein „Negerfreund“ sei. Der Rassismus ist eines von mehreren Beispielen für das schlechte in der Welt, das langsam aber sicher in das Bewusstsein der Kinder vordringt.

Atticus Finch – die personifizierte Gerechtigkeit

Während die Welt seiner Kinder und die der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger von Maycomb County durch die Gerichtsverhandlung aus den Fugen gerät, bleibt Atticus die Ruhe selbst. Obwohl ihn die Niederlage hart trifft, versucht er zu verstehen und zu akzeptieren. Auch seinen Kindern erklärt er, dass sie trotz allem ohne Vorurteile und ohne Angst durchs Leben gehen sollen. Jeder Mensch hätte gute und schlechte Seiten, dabei solle man die guten schätzen und versuchen, die schlechten zu verstehen, gibt er ihnen mit auf den Weg. Atticus Glaube an das „Gute“ im Menschen ist unerschütterlich.

Die Nachtigall als zentrales Motiv

Obwohl die Nachtigall im Buch nie vorkommt, hat sie eine grosse Bedeutung für die Handlung, die jedoch rein symbolischer Natur ist. Eine Nachbarin erklärt Jean Louise, dass eine Nachtigall niemandem etwas Böses tue, sondern nur für die Menschen singe. Daher sei es eine Sünde, diese zu töten. Die Nachtigall hat in dieser Geschichte also die Funktion der Unschuld, wobei in Harpers Werk das Böse die Unschuld gleich mehrmals aussticht. So beispielsweise auch im Fall von Tom Robinson, der unschuldig verurteilt wurde. Der Journalist der Stadt, Herr Underwood, vergleicht die Verurteilung von Robinson dann auch mit dem sinnlosen Abschlachten von Singvögeln.

Die Unschuld der Nachtigall kann jedoch auch noch einer anderen Person zugeordnet werden. Der scheue Nachbar der Finchs, Boo Radley, der Jem und Jean Louise das Leben gerettet hat, wird am Ende der Geschichte explizit mit der Nachtigall in Verbindung gebracht. Jean Louise ist der Meinung, dass die öffentliche Anprangerung von Boo als Retter und gleichzeitig auch als Mörder dem Erschiessen einer Nachtigall gleichkäme – also einer Sünde.

Es gäbe noch viele weitere Symbole, Motive und Themen, die in Lee Harpers Werk vorkommen, doch diese alle aufzuzählen, würde zu weit führen. Viel mehr würde ich empfehlen, das Buch, am besten im englischen Original, selber zu lesen.

Bibliografische Angaben

Titel: Wer die Nachtigall stört (engl. To kill a Mockingbird)
Autor: Harper Lee
Seiten: 416
Erschienen: 1960
Verlag Rowohlt
ISBN-10: 3498038087
ISBN-13: 978-3498038083
Bewertung: 4/5


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