Rezension: Die Auswerterin: oder Das Ende von Auschwitz von Elk von Lyck

Published Nov 17, 2012

„Die Auswerterin: oder Das Ende von Auschwitz“ von Elk von Lyck ist eine Mischung aus Roman und Sachbuch. Eine Kombination, die weder schlecht, noch vollkommen überzeugend umgesetzt wurde. 

Die Engländerin Emily Brown arbeitet während dem zweiten Weltkrieg als Auswerterin in der Britischen Armee. Sie bekommt die Bilder, welche von Piloten während Aufklärungsflügen geschossen wurden, zur Analyse. Aufgrund ihrer Arbeit werden dann die Ziele für Bombenangriffe ausgesucht. Auf einem Foto entdeckt Emily ein Lager, in das mit Hilfe von Zügen grosse Menschenmengen gebracht werden. Sie erkennt schnell, dass nicht alle Menschen Platz finden in der Unterkunft und schliesst daraus, dass diese im Lager systematisch hingerichtet werden. Die Entdeckung meldet sie ihrem Vorgesetzten, doch der ignoriert sie. Daher wendet sie sich an die nächst höhere Stelle – mit demselben Resultat. Also entschliesst sie sich, die Sache selber in die Hand zu nehmen.
Mit einer Pistole bewaffnet und als Hausmädchen verkleidet, gelangt sie ins Büro von Arthur Harris, dem Marshall der Britischen Luftwaffe. Sie bedroht ihn mit der Waffe und bringt ihn dazu, einen von ihr vorbereiteten Befehl zu unterzeichnen, in dem steht, dass die Geleise, die zum Lager führen, bombardiert werden sollen. Emiliy und Harris bleiben während den Stunden, die es dauert, bis der Auftrag ausgeführt ist, gemeinsam im Büro – ein Dialog über Schuld, Gerechtigkeit und über das Gute im Menschen beginnt.
Überzeugender Beginn
Elk von Lyck hat für sein Werk keinen Verlag gefunden und es entsprechend bei „Books on Demand“ herausgebracht. Als ich die ersten paar Kapitel gelesen hatte, fragte ich mich: Wieso wurde dieses Werk von keinem Verlag angenommen? Denn der Anfang der Erzählung finde ich sehr überzeugend. Die Idee, dass eine einfache Soldatin auf diese Art und Weise versucht, den Lauf der Geschichte zu ändern, ist mehr als originell und zudem erst noch gut umgesetzt. Man ist als Leser sofort in der Geschichte drin und möchte unbedingt wissen wie es weiter geht.
Doch leider konnte von Lyck sein Anfangsniveau nicht halten. Bereits kurz nachdem Harris den Befehl unterschrieben hat, beginnt der Dialog zwischen Harris und Emily Brown. Dieser mag ja zu Beginn noch spannend sein, doch schnell erkennt man, dass sich die nächsten knapp 100 Seiten nichts anderes mehr ereignen wird, als dass sich die beiden Protagonisten historische Daten und Ereignisse um die Ohren schlagen. Schade, aus der guten Ausgangslage wäre mehr rauszuholen gewesen. 
Authentizität leidet wegen zu vielen Daten und Fakten

Spätestens ab der Hälfte verkommt der Roman zu einem Sachbuch. Es ist völlig unrealistisch, dass sich Harris und Emily an all diese Daten und Ereignisse erinnern können und auf die jeweilige Anschuldigung des anderen immer sofort eine historisch begründeten Konter bereit haben. Von Lyck zeigt in diesem Teil des Werks, dass er enorm grosse Sachkenntnis hat und liefert auch sehr interessante Denkanstösse rund um die Frage, was die Allierten alles gewusst haben und weshalb sie nichts unternommen haben. Dennoch, wenn man so viele historische Daten und Fakten in einen Roman verpackt, riskiert man schnell, dass der Fluss und die Spannung der Romanhandlung zu kurz kommt. Genau das geschieht hier leider.
Und noch ein Punkt hat mich gestört: Wenn so viele historische Ereignisse, Daten und Fakten genannt werden, dann sollte man diese auch in irgendeiner Form belegen können. Das würde meiner Meinung nach stark zur Glaubwürdigkeit der Geschichte beitragen, denn so schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, was denn nun der Wahrheit entspricht und was nicht. Beispielsweise gab es Marshall Arthur Harris wirklich, während Emily Brown eine Erfindung des Autoren ist. Die Vermischung von Fiktion und Realität und gleichzeitig auch noch zwischen Roman und Sachbuch ist sehr gewagt und im vorliegenden Werk nicht immer gelungen. 

Damit von Lyck die Diskussion rund um das Thema der Schuld und die Frage, wie viel über die Gräueltaten der Nazis bekannt war, behandeln kann, muss er zwei Protagonisten haben, deren Ansichten sich grundlegend unterscheiden. Genau das ist der Fall, denn während Arthur Harris blind jeden Entscheid, der vom Militär gefällt wurde, unterstützt, glaubt Emily ebenso blind, an das gute im Menschen und möchte allen helfen. Beide Charaktere, vor allem aber Emily, sind daher in ihrer jeweiligen Ansicht blauäugig und nicht bereit, dem anderen auch nur in einem Punkt Recht zu geben. Auch dies ist leider etwas gar unrealistisch. 
Alles in allem baut die Geschichte auf einer sehr interessanten und originellen Idee auf, die zu Beginn sehr gut umgesetzt ist. Doch mit zunehmender Dauer des Romans tritt die Erzählung und vor allem die Logik der Erzählung in den Hintergrund, damit von Lyck seine grosse Sachkenntnis darlegen kann. Trotzdem durchaus lesenswert. (fba)

Bibliografische Angaben:

Titel: Die Auswerterin: oder Das Ende von Auschwitz
Autor: Elk von Lyck
Seiten: 132
Erschienen: 2012
Verlag: Books on Demand
ISBN-10: 3844816143
ISBN-13: 978-3844816143
Bewertung: 

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