Rezension: Er ist wieder da von Timur Vermes

„Er ist wieder da“, Adolf Hitler ist wieder in Deutschland. Im Jahr 2011 wird Hitler mit denselben Überzeugungen wie vor knapp 70 Jahren zum Youtube-Star mit eigener TV-Sendung. Ein vor Satire triefendes Werk von Timur Vermes.

Im Jahr 2011 erwacht Adolf Hitler mitten in Berlin. Wie er dorthin gekommen ist, weiss er nicht. Doch er findet sich in der neuen Umgebung schnell zu Recht. Er analysiert die Gesellschaft, findet Gefallen an den neuen Medien und kommt per Zufall mit einem TV-Sender in Kontakt, der ihm anbietet, als Comedian aufzutreten. Seine ersten Auftritte als Adolf Hitler hat er als Gast-Comedian in der Show des Türken Ali Wizgür. Bald schon bekommt er aber seine eigene Sendung, verkauft Fan-Artikel, verfügt über einen Youtube-Channel und seine Videos werden online millionenfach konsumiert.

Darf man das?

Das war die erste Frage, die ich mir gestellt habe. Die zweite war: Kann das Konzept tatsächlich über 400 Seiten funktionieren? Diese Frage kann ich getrost mit „ja“ beantworten. Ich habe mich köstlich amüsiert über die vielen Missverständnisse, die der Erzählung vom Vermes zu Grunde liegen. Hitler macht keine Witze und meint alles ernst, was er sagt. Seine jeweiligen Gesprächspartner halten ihn jedoch einfach für einen extrem begabten Comedian, was wiederholt zu sehr unterhaltsamen Dialogen führt. Auch die satirischen Elemente sind erstklassig. Dann beispielsweise, wenn Hitler in seiner TV-Show mit der Grünen Politikerin Renate Künast einen Dialog darüber führt, dass die Umweltpolitik der Grünen derjenigen seiner eigenen Partei doch ziemlich ähnlich sei, oder wenn Hitler einen Namen für seine E-Mailadresse sucht.

Messerscharf sind Vermes auch die gesellschaftlichen Analysen der heutigen Zeit durch die Augen von Hitler gelungen. Gerade die Presse bekommt dabei ordentlich ihr Fett weg. „Da notiert der Schwerhörige, was ihm der Blinde berichtet, der Dorftrottel korrigiert es, und die Kollegen in den anderen Pressehäusern schreiben es ab“, so Hitlers Einschätzung der Deutschen Medienlandschaft. Zudem lässt er sich auch über die politische Führung in Deutschland aus, über die vielen Ausländer und auch über die verkommene Jugend. Besonders treffend fand ich die Bemerkung, dass bei den Mädchen scheinbar die Pubertät übersprungen wird und sie vom Mädchen direkt zur gebärfähigen Frau werden. Zudem sind Hitlers Beobachtungen zum Smartphone-Gebrauch und anderen technischen Kommunikationsmedien sehr lesenswert, weil er damit zeitweise gar nicht mal so falsch liegt.

Vermes gelingt es zudem auch bemerkenswert gut, die Sprache und die Überzeugungen von Adolf Hitler in den Text einzubauen. Dabei ist vor allem zu beobachten, dass Hitler mit den sprachlichen Entwicklungen nicht ganz zu Recht kommt. So spricht er beispielsweise vom „Internetz“ (Internet) oder von Jiutjub (Youtube). Vermes überzeugt auch mit grossem Wissen über Hitlers Leben, dessen Überzeugungen und den Personen, die zu Hitlers erweitertem Umfeld gehört haben. Dies lässt Vermes immer wieder gekonnt einfliessen.

Ja, man darf

So fällt meine Antwort auf die eingehend gestellte Frage aus. Es ist für mich eine andere, eine interessante und vor allem innovative Art, sich mit der Vergangenheit des Nationalsozialismus in Deutschland auseinanderzusetzen. Stellenweise ist die Erzählung einfach nur witzig, bei anderen Passagen gerät man jedoch ins Grübeln, ob so etwas in der heutigen Welt nicht tatsächlich passieren könnte. Natürlich nicht, dass Hitler wieder an die Macht kommt, aber das jemand, der geschickt agiert, die Medien und die Politik für seine Zwecke einspannen könnte. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, man darf in dieser Form über Hitler schreiben und man darf auch mit und über ihn lachen. Es würde auch schwer fallen, nicht darüber zu lachen, denn dafür liefert Vermes zu viele gelungene Pointen.

Trotzdem läuft sich die Geschichte gegen Ende etwas aus. Während die erste Hälfte wirklich etwas vom Besten war, das ich je gelesen habe, war der zweite Teil teilweise etwas zu langatmig (bspw. Wiesnbesuch) und auch nicht mehr ganz so treffend formuliert. Dennoch ist das Werk allemal zu empfehlen und gehört für mich zum Erfrischendsten, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Trotz Humor und Satire darf natürlich nie in Vergessenheit geraten, wie grausam und unmenschlich die tatsächlichen Ereignisse des zweiten Weltkriegs waren. Das kann in Vermes‘ Werk stellenweise schon etwas in den Hintergrund geraten.

Bibliografische Angaben

Titel: Er ist wieder da
Autor: Timur Vermes
Seiten: 400
Erschienen: 2012
Verlag: Eichborn-Verlag
ISBN-10: 3847905171
IBN-13: 978-3847905172
Bewertung:  5/5


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