Rezension: Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier

„Nachtzug nach Lissabon“ ist das Werk des Schweizer Autoren Pascal Mercier (mit richtigem Namen Peter Bieri), welches viel Lob von allen Seiten geerntet hat – nicht unverdient wie ich finde. 


Raimund Gregorius ist Lehrer für Latein und Griechisch an einem Gymnasium in Bern. Eines Tages bricht der ansonsten stets zuverlässige und ziemlich unspektakuläre 57-jährige Mann nach Lissabon auf und macht sich auf die Suche nach einem bereits verstorbenen Autoren. Er konstruiert dessen Leben an Hand eines von ihm verfassten Buches nach, spricht mit den noch lebenden Akteuren im Werk und begibt sich so auf eine Reise in die Vergangenheit. Dabei taucht Gregorius und somit auch der Leser in die Welt der Portugiesischen Diktatur und deren Widerstand, sowie auch in die Welt der Philosophie und der fundamentalen Fragen des Lebens ein. 
Montage par excellence
Bei diesem Werk ist der Aufbau sehr speziell, da es mehrere Handlungsebenen gibt. Zum Einen gibt es Gregorius, der sich im Hier und Jetzt auf eine Reise nach Lissabon begibt. Zum Anderen gibt es die Geschichte des bereits verstorbenen Amadeu Inacio de Prado, dem Autor des Werks, welches Gregorius zur Reise nach Lissabon verleitete.
Die Geschichte spielt also gleichzeitig in der Vergangenheit und in der Gegenwart, was dazu führt, dass verschiedene stilistische Mittel angewendet werden, um diese miteinander zu verbinden. So finden sich immer wieder Aufzeichnungen, Briefe und Bücher aus der früheren Zeit, so dass Merciers Werk zu einer beispielhaften Montageerzählung wurde. 

Spannend aber auch langatmig
Wenn wir gleich schon bei der stilistischen Betrachtung des Werks sind, möchte ich gerne noch auf den Schreibstil von Mercier eingehen. Es ist nicht zu übersehen, dass dieser beruflich als Philosophieprofessor gearbeitet hat, denn es sind sehr viele grundlegende Fragen, die immer wieder auftauchen und die jeweils in kurzen essayähnlichen Abschnitten von Figuren der Erzählung erläutert werden. Dies kann sehr spannend sein, doch teilweise ist es auch ein wenig zu viel des Guten. Einerseits liegt dies daran, dass Mercier sich sehr eloquent und deshalb nicht immer für jedermann verständlich ausdrückt und zum Anderen, weil seine Erklärungen teilweise sehr langatmig wurden, was den eigentlichen Handlungsverlauf doch arg ins Stocken brachte. 

Handlung überzeugt
Denn die Handlung ist es, die dieses Werk aus meiner Sicht äusserst spannend macht. Die Erzählungen der Hinterbliebenen über den Portugiesischen Widerstand sind interessant und die Art und Weise wie Mercier diesen schildert ist brilliant. Auch die verschiedenen Charaktere haben Tiefgang und bieten damit die Möglichkeit, sich ein genaues Bild von ihnen zu machen und sich in ihre Lage hinein zu versetzen. 
Auch den Titel den Mercier gesetzt hat, finde ich sehr gelungen. „Nachtzug nach Lissabon“ steht für eine Reise ins Unbekannte, eine Reise ins Dunkle, eine Reise, auf der der Protagonist nicht nur etwas über ein Land und seine Leute lernt, sondern auch etwas über sich selbst, über sein bisheriges Leben, über seine Fehler und über seine Qualitäten. Es ist aber auch eine Reise für den Leser, der immer wieder Denkanstösse und Ideen erhält, selbst über einige im Werk thematisierte Dinge nachzudenken. 
(fba)

Bibliografische Angaben:

Titel: Nachtzug nach Lissabon
Autor: Pascal Mercier
Seiten: 496
Erschienen: 2006
Verlag: btb
ISBN-10:

3446205551

ISBN-13: 978-3446205550
Bewertung: 

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